Der Amazonas Regenwald

veröffentlicht in Umwelt am 12.11.2015

Wie Brasilien die Weltführerschaft bei der Eindämmung von Umweltschädigung übernommen hat

  1. Juni 2014 | Aus der gedruckten Ausgabe

In den 1990er Jahren, als jedes Jahr ein Gebiet im Amazonas Urwald in der Größe von Belgien abgeholzt wurde, war Brasilien der Welt größter Umweltsünder und der Regenwald des Amazonas ein Synonym für alles was in der grünen Natur schief läuft. Jetzt aber scheint das Amazonas Gebiet zum Sinnbild all dessen zu werden was gut läuft. Von der Regierung veröffentliche Zahlen zeigen, dass sich die Abholzungen in den Urwäldern des Amazonas im letzten Jahrzehnt um 70 Prozent verringert haben. Sie sanken von einem 10 Jahres Durchschnitt von 19 500 km² pro Jahr in 2005 auf 5 800 km² pro Jahr in 2013.

Wenn die Rodungen in der Größenordnung von 2005 angehalten hätten, dann wären weitere 3,2 Milliarden Tonnen von Karbondioxid in die Atmosphäre freigesetzt worden. Diese Menge entspricht den jährlichen Emissionen der Europäischen Union. Damit lässt sich belegen, dass Brasilien jetzt die Weltführerschaft bei der Bewältigung des Klimawandels übernommen hat.

Wie gelang es nun den Teufelskreis zu durchbrechen, bei dem davon ausgegangen wurde, dass Bauern und Viehzüchter (die Hauptschuldigen im Amazonas Gebiet) durch das Roden von Urwaldflächen so viel Profit machen, dass sie solange Bäume fällen würden bis keine mehr da wären? Vor allem wenn man bedenkt, dass es den meisten der anderen Länder mit großen Regenwaldgebieten, wie Indonesien und der Demokratischen Republik Kongo nicht gelungen ist, die Kettensägen zu stoppen. Glaubt man einer Arbeit von Dan Nepstad vom Earth Innovation Institute, San Francisco, die gerade in Science publiziert wurde, dann gab es kein Patentrezept sondern einen dreistufigen Plan bestehend aus Verboten, bessere Durchsetzung von gesetzlichen Regelungen in den Grenzgebieten und Druck von Verbraucherseite, der sich nach einigen Flops und Anlaufschwierigkeiten auszuwirken begann.

Die erste Stufe umfasst den Zeitraum von Mitte der 1990er Jahre bis 2004. In dieser Zeit konzentrierten sich die Anstrengungen der Regierung darauf, Verbote und Einschränkungen zu erlassen. Im Brasilianischen Forstgesetzt wurde festgehalten, dass jeder Landwirtschaftsbetrieb im Amazonas Gebiet 80 % seines Grundbesitzes als unberührte Waldreserve zu belassen hatte. Wie im Rahmen der Studie festgestellt wird, war dieser Anteil so hoch, dass das Forstgesetz weder eingehalten noch kontrolliert werden konnte. Dies war die Zeitspanne der größten Urwaldrodungen.

Die Preise für Sojabohnen waren hoch und es kam zu einer massiven Ausdehnung der Anbauflächen für Sojabohnen und der Viehwirtschaft am südöstlichen Rand des Regenwaldes.

Während der zweiten Stufe welche sich von 2005 bis 2009 erstreckte, versuchte die Regierung ihre Möglichkeiten auszubauen, den Regenwald polizeilich zu überwachen. Der brasilianische Präsident, Luis InAicio Lula da Silva machte die Eindämmung der Abholzungen zur Chefsache. Das führte zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen einzelnen Regierungsbehörden, insbesondere zwischen der Polizei und den Anklagebehörden. Der Bereich in dem die landwirtschaftliche Nutzung untersagt war wurde von einem Sechstel auf knapp die Hälfte des Waldes erhöht.

Außerdem wurden - zum ersten Mal - die Einschränkungen durch andere Faktoren unterstützt. Durch die Wertsteigerung des Reals, der brasilianischen Währung, kam es zu verringerten Exporterträgen beim Verkauf der Sojabohnen. Verbesserungen in der Rinderzucht führten dazu, dass die Züchter mehr Tiere auf weniger Weidefläche halten konnten. Dazu kam noch ein Verbraucher Boykott. Nach einer großen Greenpeace Kampagne und anderer Umweltorganisationen verpflichteten sich die Käufer von brasilianischen Sojabohnen keine Ernten zu erwerben, die auf Flächen angebaut worden waren, die nach 2006 gerodet wurden. Gemeinsam führten diese Faktoren zu einem starken Rückgang der Abholzungen (siehe Graphik).

Rückgang der Abholzungen im brasilianischen Regenwald zwischen 1994 und 2013

Die dritte Stufe, die 2009 begann war ein Testlauf, der zeigen sollte ob ein Regime von Einschränkungen angesichts der sich wieder verstärkenden Ausweitung der Soja Anbauflächen Bestand haben würde. Die Regierung verlagerte dabei den Fokus von den Landwirtschaftsbetrieben auf die zahlreichen Bezirke, aus denen jeder Bundesstaat besteht. Landwirten aus den 36 Bezirken mit den höchsten Abholzungsraten wurde der Zugang zu billigen Krediten verwehrt, solange diese Abholzungen nicht zurück gingen. Daneben installierte die Regierung ein funktionierendes Katastersystem und verpflichtete die Grundbesitzer dazu, die genauen Grundgrenzen an die Umweltschutzbehörden zu melden. Es gab einen Rinderboykott nach dem Muster des Soja Boykotts. Zum ersten Mal gab es nicht nur Strafen sondern auch Belohnungen. Es gab eine Amnestie für illegale Rodungen vor 2008 und Geldmittel aus einem speziellen, mit 1 Milliarde Dollar dotierten Amazonas Fonds, der aus Entwicklungshilfegeldern gespeist wurde.

Die brasilianische Amazon Politik ist in jeder Hinsicht ein triumphaler Erfolg, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie im Wesentlichen aus Beschränkungen und nicht aus Anreizen besteht, von den man hätte meinen können, dass sie besser funktionieren. Im Zeitraum der Studie hat sich Brasilien außerdem zu einer agrarischen Supermacht entwickelt und dabei gezeigt, dass es möglich ist, die Nahrungsmittelproduktion gewaltig zu erhöhen ohne dabei den Urwald zu zerstören (obwohl es anfänglich noch zu Abholzungen kam). Trotzdem muss Dr. Nepstad eingestehen, dass eine politische Strategie die auf „du-darfst-nicht“ basiert von politischer Unterstützung von ganz oben abhängig ist, die nicht immer gesichert ist.

Ferner zeigt sich, dass die politischen Maßnahmen bis jetzt vor allem bei den großen Landwirtschafts- und Viehzuchtbetrieben erfolgreich waren, die die Gesetze einhalten und auf den Druck vom Markt reagieren. Daher waren auch die Boykotte sehr erfolgreich. Der Großteil der verbleibenden Abholzung geht auf das Konto von Kleinbauern, die sich eher weniger um diese Dinge kümmern. Die Regierung steht also vor der Herausforderung auch diese Bauern zu überzeugen, ihre Methoden zu ändern. Die Abholzungen haben sich verringert, gestoppt werden konnten sie jedoch noch nicht.

Photo by ViniLowRaw on Unsplash

veröffentlicht in Umwelt am 12.11.2015